Mein Körper und Ich

Seit ungefähr einem Jahr habe ich einen großen Spiegel. Groß meint hier eigentlich nur: Ich kann mich darin komplett sehen, von Kopf bis Fuß sozusagen. Das ist für mich schon was besonderes, denn bisher hatte ich immer nur Spiegel, in denen ich mich höchstens halb sehen konnte. Im Prinzip wusste ich also eigentlich nicht wie ich aussehe… 😀

Okay, Spaß beiseite. Ich kenne mich eigentlich ganz gut. Ich weiß, wie ich aussehe und ja ich erkenne mich auch im Spiegel. 😉 Vor allem wußte ich aber, wie sich das Ganze anfühlt, welche Haltung bequem ist und welche Haarlänge mich stört. Mein Aussehen habe ich aber eben nur aus meiner Perspektive wahrgenommen. Ich kenne meinen Bauch nur von oben, meine Arme nur soweit ich sie drehen kann und meinen Rücken nur soweit ich ihn erfühlen kann. Meine Füße kenne ich von so ziemlich allen Seiten und ich mag sie sehr 😀

Aber was ich bisher einfach nicht hatte, war ein Gesamtbild. Ich hatte keine Ahnung, wie diese ganzen Teile zusammen aussehen und wie sich mein Körper bei Bewegungen verhält. Ich wusste also nicht wie andere mich sehen.

Wobei auch hier wieder ein kleiner Hacken ist, denn wie andere mich sehen, verrät mir natürlich auch der Spiegel nicht. Da guck ich ja wieder selbst hinein. Und heraus. Und mich an. Aber was sehe ich eigentlich?

Ich sehe mich selbst. Von außen, aber mit all dem was ich über mich weiß im Kopf. Ich ergänze praktisch zu dem Bild das ich sehe, das Gefühl wie sich meine Haare anfühlen, und meine Beine. Wenn ich eine Haltung einnehme spüre ich dabei wie mein Körper sich bewegt und welche Empfindungen sie bei mir auslöst. Aber ich sehe eben auch, das Bild dazu. So wie andere das wahrnehmen können.

Die Auseinandersetzung mit meinem Bild war mir nie besonders wichtig. Wichtig war und ist mir aber die Begegnung mit mir selbst – ohne mein Bild. Und dafürt habe ich mir vor allem früher menschliche Spiegel gesucht. Wenn jemandem eine bestimmte Haltung einnimmt oder mir in einem Gespräch bei meinem Gegenüber eine Geste auffällt habe ich sie manchmal kopiert und konnte dann nachspüren, was diese Gestik bei mir ausslöst. Wenn ich dann überlege wie sie auf mich wirkt, wenn ich sie bei anderen sehe entsteht aus der Überlagerung ein spannedes Bild von Selbst- und Fremdwahrnehmung: Hände lässig in die Taschen stecken, macht mich selbstsicher und kann bei anderen aber sowohl entspannt, als auch wie versteckte Unsicherheit wirken. Beim Sprechen mit den Armen rumwedeln und dabei besonders die Hand im Handgelenk viel zu drehen sieht vielleicht ellegant aus, macht mich selbst aber in Gedanken fahrig. Diese Gestik steht mir nicht, fühlt sich für mich nicht gut an.

Meine eigenen Bewegungen hinterfrage ich meist wenig. Sie sind spontan und Ausdruck meiner Gedanken und Gefühle. Ich muss sie nicht anprobieren, wie ein Kleid und gucken ob sie mir stehen. Mein Körper bringt nach außen, was mir im Kopf und im Herzen umgeht. Nicht immer ist das so gut, denn machmal geht das schneller als ich denken kann, kommen dabei Dinge an die Oberfläche, die ich so vielleicht noch nicht zeigen wollte. Und trotzdem bin ich froh darüber, dass mein Körper of unwillkürlich reagiert. Denn damit bin bleibe ich ehrlich. Meinem Gegenüber und vor allem mir selbst gegenüber.

Und auch wenn ich meine Gesten nicht hinterfrage, versuche ich doch immer mich selbst zu beobachten und Besonderheiten zu registrieren. Ich nehme aus einer inneren Distanz wahr, wie ich mich verhalte und welche Gefühle und Gedanken damit einher gehen. Aus dieser kritischen Distanz zu mir selbst kann ich mich so einordnen, wie ich es beim „anprobieren“ von Bewegungen schon probiert habe. Wichtig ist mir bei beiden Perspektiven immer möglichst keine Bewertung damit zu verbinden. Ich bin und handele in dem Moment so. Punkt. Diese innere Haltung hat zum Beispiel auch meine raumergreifenden Tanzstil ermöglicht 🙂 Der Eindruck, den mein Spiegelbild hinterlassen kann, der Ausdruck meiner Gefühle und Gedanken bleibt inerlich unkommentiert. Und solange alles konsistent ist, es also keine Reibung zwischen Innen und Außen gibt, ist alles okay. Erst bei Unstimmigkeiten versuche ich die Ursache zu finden. Am besten durch reflektiertes Nachdenken.

Mein neuer Spiegel hängt hinter der Tür. Solange die Tür auf ist, bleibt der Spiegel unsichtbar. Erst wenn die Tür zu ist, kann ich mir selbst begegnen.

2 Kommentare zu „Mein Körper und Ich

  1. Das ist wieder sehr beeindruckend! Ich würde gerne darauf ausführlich antworten. Dafür fehlt mir z.Zt. die Muße! Ich bewege meine Gedanken aber im Kopf, immerhin. Du gibst viele Anregungen dazu!!! Danke dafür!
    Vielleicht später schicke ich dir ein Spiegelbild von mir, das während der Schottlandreise entstanden ist. Ein Mitreisender machte sehr gerne Spiegelbilder von uns. Sehr interessante Betrachtungsweisen!
    Liebe Grüße
    Renate

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    1. Liebe Renate,
      Oh, Danke für diesen Kommentar! Es freut mich total, wenn ich deine Gedanken anrege! Schick mir gerne ein Bild oder einen Gedanken, du kannst mich ja auch auf anderem Weg kontaktieren 🙂
      Spiegelbilder sind eine sehr spannende Sache! Und Fotos von Spiegelbildern sind ja dann praktisch der Blick auf das Bild, durch die Kamera, in den Spiegel auf den Menschen… Huj! Das reinste Spiegelkabinett! 🙂
      Hab eine gute Zeit!
      Liebe Grüße,
      Marita

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